top of page
pressebericht-nw.jpg

Pressebericht zum CSD
"Neue Westfälische"
12.06.1994

Premiere in Bielefeld: der erste Christopher-Street-Day am Teuto

Ein Himmel voller Sahnetorten

Bildunterschrift Parade: Die Parade des Christopher Street Day '94 in der Altstadt. Nicht nur Petrus hielt den Demonstranten die Treue. Foto: Becker

Bildunterschrift Portraits: Wer den Prinzen will, muß erst den Frosch küssen. Das war schon immer so und da hilft auch kein Gezeter, also Augen zu und durch. Foto: Becker

Bielefeld (stb). „Lesben und Schwule gegen heterosexuelle Ignoranz" lautete das Motto des ersten "Christopher Street Day" am Samstag in Bielefeld. Vor 25 Jahren verteidigten schwule und lesbische New Yorker ihre Szenekneipe "Stonewall Inn" erfolgreich vor der Polizei, und seitdem wird dieser Tag des gemeinsamen Widerstandes gegen gesellschaftliche Gewalt und Diskriminierung auf der ganzen Welt mit Demonstrationszügen gefeiert.

 

Samstag nun zum ersten Mal auch in Bielefeld. Eskortiert von der Polizei, die nach eigenen Angaben bisher noch keine so farbenfrohe und spaßige Demo durch die Leinenstadt begleitet hatte, zogen ungefähr 1000 Homosexuelle mit Verwandten, Freunden und Bekannten durch die City.

 

Mit bunten Transparenten, Popmusik spielenden Lautsprecherwagen, geschminkt und kostümiert, singend und tanzend zog die Menge an den bummelnden Passanten vorbei. Ein exzentrischer und schriller Zug, der spielerisch Selbstdarstellung, Lebensfreude und politische Aussagen mit einander verband. Die typische erste Reaktion der Schaulustigen war pure Verblüffung, denn so etwas kannte man ja bisher nur aus dem Fernsehen.

Die Zustimmungs- und Solidaritäsbekundungen stellten sich spontan ein, die Menschen schmückten sich mit bunten Luftballons, beglückwünschten die ausgelassene Schar oder schlossen sich dem Zug einfach an. „Endlich machen sie mal was" meinte ein älterer Herr anerkennend, klemmte sich die Tasche unter den Arm und verfolgte schmunzelnd das illustre Treiben. Ist er etwa auch, oder doch nicht? Wer weiß das schon. 

 

Endstation der Parade war der Rathausplatz, mehrere Referenten widmeten sich thematisch der in Deutschland zunehmenden Aggression gegenüber Minderheiten und plädierten leidenschaftlich für ein stärkeres Selbstbewusstsein der Homosexuellen. Der ausgesprochene Dank galt allgemein den am Umzug Beteiligten, schließlich hatten sie gemeinsam zum ersten mal ihre Lebensart einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

 

„Ich bin so glücklich heute" strahlte Soena Sommer von der schwulesbischen Aktionsgruppe, den Initiatoren der Parade, „ich denke immer wieder, ich habe das alles nur geträumt". Hatte sie nicht, im Gegenteil, mit dem erfolgreichen Verlauf der mobilen Party demonstrierten die Homosexuellen zugleich Präsenz und das Engagement, für vorenthaltene Rechte zu kämpfen. Danach ging es ins Jugendzentrum Niedermühlenkamp, wo bis in die Nacht gefeiert wurde.

bottom of page