Sandra
Rückblickend betrachtet lag in den 90er Jahren so etwas wie eine Aufbruchstimmung in der Luft.
Es gab bereits viele separate Gruppen und Angebote, ein Lesben-Cafe in der Uni oder ein schwules Referat, natürlich auch das Frauenkulturzentrum mit rein lesbischen und frauenbezogenen Veranstaltungen. Aber es gab auch schon eine gut besuchte schwul-lesbische Kneipe, das Magnus, wo sich Menschen mit vielen verschiedenen Neigungen begegneten und gemeinsam viel Spaß hatten, nicht zuletzt mit dem Anschauen der Lindenstraße und dem heiß ersehnten ersten homosexuellen Kuss in der ARD.
Gesellschaftlich war noch viel zu tun, die Gleichberechtigung sehr viel weiter entfernt. Es war eine zündende Idee von Seona, eine Schwul-Lesbische Aktionsgruppe zu gründen, um einen ersten CSD in Bielefeld zu organisieren.
Ich war seit vielen Jahren schon zu diesem Zeitpunkt aktiv in verschiedenen politischen Gruppen wie der Antifa und außerdem in einigen Frauen/ Lesben Initiativen. Um mehr zu bewegen für die vielen schwulen und lesbischen und queren Menschen, bedurfte es einfach einer größeren und sichtbaren Aktion. Die vergleichweise kleine Gruppe hat viel diskutiert, an verschiedenen Standorten fanden wir eine Heimat für die wöchentlichen Treffen. Es war großartig, viele verschiedene Gruppen und Grüppchen für die neue Idee einer gemeinsamen Parade zu begeistern.
Aber es war auch eine Herausforderung, manche separierte Gruppe einzuladen und zum Mitmachen zu bewegen. Die Vorbehalte der schwulen und lesbischen Seiten waren mitunter deutlich spürbar, es hat viele Gespräche, Diskussionen gekostet, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die erste Parade mit über 1000 Menschen war ein toller Erfolg, wir waren als Gruppe sehr glücklich über das Gelingen. Schnell war klar, das es unbedingt eine Fortsetzung geben musste.
Mai 2024